WERTHER am THEATER BIELEFELD

Mai 10, 2018 § Hinterlasse einen Kommentar

Lyrisches Drama in vier Akten nach Johann Wolfgang von Goethe
Dichtung von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann
in einer Textfassung von Alexander Charim

THEATER BIELEFELD
Premiere war am 2. Dezember 2017

Ich mag das Wort Selbstmord nicht. Lieber rede ich vom Freitod.
Kein Karzinom frißt mich auf, kein Infarkt fällt mich, keine Urämiekrise nimmt mir den Atem. Ich bin es, der Hand an sich legt, der da stirbt.
Ich bin vor dem Suizid das ohren- und herzzerreißend quäkende Ferkel, das man zur Schlachtbank zerrt.
Gurgelndes Wasser, in dem ich ertrinke.
Der Griff mit der Linken, die Kehle zu spannen, während die Rechte das Rasiermesser ansetzt.
Aufschmettern des Kopfes auf dem Asphalt.
Würgen des Stricks um meinen Hals.
Brennen und Detonation des Schusses an meiner Schläfe.
Eigenhändiges Zuschrauben des Schraubstocks, zwischen dessen Böcken mein Schädel liegt, so dass ich noch das Krachen vernehme, ehe es aus ist.
Ich lege Hand an mich.
Ich verliere mich im Selbstauslöschen.
Ich bin ich, vielleicht zum ersten Mal.
Ein nie zuvor gekanntes Glücksgefühl.
Denn jetzt hat es ein Ende mit dem Existieren.

Dies ist meine Geschichte.

Der junge Dichter Werther ist hingerissen von Charlotte. Leidenschaftlich steigert er sich in seine Emotion hinein – zu seinem und ihrem Unglück. Denn sie fühlt sich an ihr Versprechen gebunden, den erfolgreichen Geschäftsmann Albert zu heiraten. Verzweifelt fordert Charlotte den liebeskranken Dichter auf, Abstand zu suchen. Doch ausgerechnet zum Weihnachtsfest bittet sie ihn, zurückzukehren. Während in Deutschland die geradezu sakrale Verehrung des Dichterfürsten Goethe Adaptionen seiner Werke beinahe unmöglich machte, konnten französische Komponisten ungenierter zur Tat schreiten. Den wohl berühmtesten Selbstmord der Literaturgeschichte verwandelte Jules Massenet in eine lyrische Oper. Auf einer Deutschlandreise verschlang Massenet gebannt Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther: »Ich konnte mich nicht von der Lektüre jener brennenden Briefe losreißen, in denen sich die Gefühle der größten Leidenschaft widerspiegelten. Was für aufwühlende Szenen, was für fesselnde Bilder muss das ergeben!« Wenngleich heute nicht mehr zu befürchten steht, dass durch den Roman oder die Oper eine Welle von Suiziden liebeskranker Jugendlicher ausgelöst wird wie bei Erscheinen des Romans, so bleiben die unbedingten Emotionen der verzweifelt Liebenden doch zeitlos und berührend. Massenet gab den tiefen Seelenregungen Werthers eine sinnlich-kantable Tonsprache, deren poetischem Zauber sich, wie Charlotte, auch kaum ein Zuhörer zu entziehen vermag.

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