„Innenleben“
Oktober 10, 2010 § Hinterlasse einen Kommentar
Musiktheaterausstellung, Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot
Premiere am 10. Oktober 2010
Die Exponate dieser Ausstellung sind kurze Musiktheaterstücke zum Thema Asyl und Abschiebung in Europa. Die einzelnen Stücke laden durch ihre simultane Aufführung jeden Besucher dazu ein, sich eigenständig durch die Ausstellungsräume zu bewegen und unterschiedliche Standpunkte einzunehmen.
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. So heißt es gemäß Artikel 16 GG der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 1949 verabschiedet, hatte dieser Artikel vor allem Millionen Flüchtlinge vor dem NS-Regime im Blick. Jahrzehnte war die BRD Ziel für Flüchtlinge, obwohl sie sich selbst nie als Einwanderstaat anerkannte. Am 26. Mai 1993 wurde Artikel 16 durch eine 2/3-Mehrheit im Bundestag abgeändert, hierbei wurden der Zugang zu Deutschem Gebiet, zum Asylverfahren sowie die Kriterien für den Asylantenstatus und das Recht auf Berufung eingeschränkt.
Im Jahr 2009 waren hauptsächlich Entwicklungsländer für 4/5tel der 43,3 Mio. Flüchtlinge weltweit die Anlaufstelle. Nach Informationen der UNHCR hat Pakistan 1,7 Mio. Menschen aufgenommen, der Iran 1,1 Mio., Deutschland im Vergleich hierzu 593.800 Flüchtlinge. Aus den Einschränkungen des Artikels 16 folgt, dass die Mehrheit von politisch Verfolgten kein Asyl beantragen können: ohne Visum kann man nicht nach Deutschland fliegen, ein Visum kann man wegen politischer Verfolgung nicht bekommen.
Der politische Diskurs über Flüchtlinge zerfällt oft in Klischees, einzelne Geschichten von Bedürftigen werden in den Medien erzählt, aber die Hintergründe verschwimmen häufig. „Innenleben“ präsentiert Miniaturen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema Flucht auseinandersetzen. Wir inszenieren bewusst keine Opfer und wollen uns auch nicht anmaßen für jemanden zu sprechen. Unsere Ausstellung zielt darauf, übliche Vorstellungen über Flüchtlinge und Migranten zu hinterfragen.
ILLEGAL (Regie: Alexander Charim) erzählt drei Stationen aus dem Leben eines „Illegalen“, inspiriert von der Geschichte Marcus Omofumas, der bei einer Abschiebung aus Österreich im Jahr 1999 von Polizisten mit Klebeband gefesselt wurde und dabei erstickte. Dabei geht es nicht notwendigerweise um einen Schauspieler, der diese Figur in allen Szenen verkörpert, sondern um ein Motiv, um typische Lebensstationen eines Migranten, die von verschiedenen Seiten beleuchtet wird.
Die ersten beiden Teile haben dokumentarischen Charakter und stellen zwei Stationen aus dem Leben des „Illegalen“ dar (allerdings durch Musik und Text verfremdet). Zunächst seinen Alltag in einer Wohnung, den Versuch der Konstruktion von Normalität und der Allgegenwärtigkeit von Angst. Im zweiten Teil findet dann ein Verhör über die Fakten seines Lebens statt. Im letzten Teil ist der „Illegale“ gestorben, Musiker und Zuschauer hören der Beschreibung seines gewaltsamen Todes zu, nur eine Sängerin stellt sich gegen die allgemeine Verdrängung der Schuld.
Illegal 1:
Komposition: Calogero Scanio /
Regie: Alexander Charim / Musikalische Leitung:
Lennart Dohms / Peter Volksdorf (Schauspieler)
Illegal 2:
Komposition: Anno Schreier / Regie: Alexander Charim / Video: David Schnägelberger
Musikalische Leitung: Volker Perplies / Sun Hyung Cho (Sopran) / Daniel Kozian (Schauspieler)
Illegal 3:
Komposition: Eunsun Lee / Musikalische Leitung: Volker Perplies / Regie: Alexander Charim / Eun-Hye Shin (Sopran) / Daniel Kozian, Peter Volksdorf (Schauspieler)
Team
Komposition: Eunsun Lee, Calogero Scanio, Anno Schreier / Musikalische Leitung: Lennart Dohms, Volker Perplies, Lena-Lisa Wüstendörfer / Regie: Alexander Charim, Nelly Danker, Kami Manns, Sophia Simitzis / Choreographie: Cristina Czetto / Ausstellungskonzeption/Bühne/Kostüme: Agnes Fabich, Anja Kerschkewicz / Graphik: Julia Rommel / Video: Manuel Graubner, David Schnägelberger / Dramaturgie: Minou Arjomand, Bernhard F. Loges / Produktonsleitung: Dorka Batizi, Thomas Eisenträger /
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